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Mittwoch, 2. Mai 2091

Epinox, 2. Mai 2091

Heute ist der 2. Mai 2091. Ich muss heute zum monatlichen Rapport in die Firmenzentrale im Zentrum von Wien. Der Vidinet-Wecker hat um 7:00 geläutet. Vidinet ist unser Hauptkommunikationsmittel. Es wurde vor circa 60 Jahren eingeführt, nachdem die damaligen Kommunikationsmittel Internet, Fernsehen und Telefon immer mehr zusammengewachsen sind.
Der Tag beginnt mit guten Nachrichten: Der oberste Gerichtshof hat entschieden, dass die Mitgliedschaft bei der WEU (Workers and Employees United) kein Kündigungsgrund ist. Ein WEU-Mitglied ist 2089 gegen seine Kündigung vor Gericht gegangen. Sein Arbeitgeber schrieb, die Mitgliedschaft bei der WEU wäre gegen das Unternehmen gerichtet und wurde von den Konzernokraten unterstützt. Weiters wurde durchgesetzt, dass die Neusiedler Ebene (dort befand sich bis vor ungefähr 30 Jahren ein See, der mittlerweile verlandet ist), nicht vollständig verbaut werden darf.
Nach einem Frühstück aus Hyperion-Weizenflocken und Waterola (filtriertes und gereinigtes Alpenwasser) verabschiede ich mich von meiner Frau. Sie leitet ein Health-Protection-Mobility-Center in Wien-Himberg (früher nannte man so etwas Fitnesscenter).
Ich entscheide mich für die U-Bahn. Ich könnte auch den Metrorapido nehmen (der Metrorapido wurde 2057 als weltweites unterirdisches Fernverkehrsmittel entwickelt und ist eine Highspeed-Magnetbahn. Die Bahnhöfe befinden sich in allen größeren Städten, in wirklich großen Städten wie z.B. Wien gibt es mehrere Bahnhöfe), da wäre ich zwar 45 Minuten früher dort, müsste aber 50 Globos mehr zahlen.
Heute muss ich meinem Vorgesetzten, Herrn Mantillo, Rechenschaft über meine Kreditbearbeitungen des letzten Monats ablegen. Ich habe 218 Kreditanträge bearbeitet, davon 93 abgelehnt. Auch wenn es mir schwer fällt, Kredite abzulehnen, muss ich es oft dennoch tun, da ich sonst schnell meine Arbeit verlieren würde. Die Arbeitslosigkeitsrate liegt bei 18%, die Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit sind stark zurückgegangen: heutzutage sollte man besser nicht seine Arbeit verlieren.
Ich habe zwei Stunden in seinem Büro verbracht (es mussten nur drei Kreditanträge länger durchdiskutiert werden), dann machte ich mich auf den Weg nach Hause. Zuhause angekommen, fand ich in meinem Vidinet-Postfach die nächsten 4 Kreditanträge: ein Herr Moyer will Geld zur Finanzierung eines neuen Energiekonvektors, den er entwickelt hat ( geht eigentlich OK), eine Frau Marachetto braucht Geld für eine Lebertransplantation (wird von der allgemeinen Gesundheitsvorsorge nicht bezahlt, sie ist aber CEO eines Versicherungsunternehmens, geht daher auch OK), ein Herr Cassidy braucht Geld für die Schulausbildung seines Sohns (muss ich mir genauer ansehen) und ein Herr Gallmeyer will ein neues Solarmobil kaufen und bietet als Sicherheit sein Dauer-Lotterielos (ABGELEHNT!). Nach dem Mittagessen werde ich die Anträge dann durcharbeiten.

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